Anhand zweier konkreter Projekte – Windkraft in Waging am See und Geothermie in Bernried – wollten wir diskutieren, wie Partizipation funktioniert. Zweifellos ein Experiment -  doch nur in Form von Rede und Gegenrede, Transparenz und Beteiligung, Fairness und Klarheit können wir mit unserer Veranstaltungsreihe etwas bewirken. Wenn ein Investor auf eine Bürgerinitiative trifft, gilt es, die Nachhaltigkeit der Investitionsabsichten einerseits und die Motive der Protestbewegungen andererseits zu hinterfragen.

Titel?

· „Bio ist okay, Wind ist okay, Sonne ist okay. Aber nicht bei uns!“
· „Monster und Teufelszeug: Keine Windräder in Waging am See“
· „Geothermie Tutzing/Bernried? Das ist der GAU!“    (Alle Zitate aus der Abendzeitung vom 16./17.04.2011)

Wann? 15. Dezember 2011, 19:00 Uhr

Wo? Sitzungssaal Stadtmuseum, St. Jakobs-Platz 1, 80331 München  (gegenüber des neuen Jüdischen Zentrums)

Eröffnung:
Joachim Lorenz, Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München

Diskutanten:

· Jürgen Hoffmann, Bereichsleiter Windenergie, Green City Energy GmbH
· Franz Trattler, Anliegergemeinschaft „Keine Windkraftanlage in Froscham“
· Lutz Karl Stahl, Geschäftsführer Geothermie-Kraftwerk Bernried/BE-Geotherm GmbH
· Regina Fischer-Jech, Bürgerinitiative Alternative Energiequellen (BAE).

Unsere Eröffnungsveranstaltung der Reihe „Mutbüger für Energiewende!“ war aufrüttelnd und mit rd. 80 Zuhörern und Diskutanten gut besucht.

Eröffnungsrede Helmut Paschlau: Klicken Sie hier

Eingeladen hatten wir die Bürgerinitiativen, denen dieses Zitat in der AZ zugeordnet worden war, und Vertreter der Investoren, die Windkraftanlagen und eine Geothermie-Anlage realisieren wollten.
Zu klaren Bedingungen wurde dann zwischen den jeweiligen Gegenpolen fair diskutiert, das Experiment der Veranstaltung hat geklappt:

Grußwort von Joachim Lorenz: Klicken Sie hier

Eingangs betonte Umwelt-Referent Joachim Lorenz in seinem Grußwort, dass und warum die Landeshauptstadt München unsere Veranstaltungsreihe unterstützt: Klimawandel und Energiewende sind die absolut vorrangigen Probleme der Weltgemeinschaft, sie haben – global betrachtet – dramatische Konsequenzen für Menschen in anderen Erdteilen, aber auch für uns. Aufgrund der Zuwanderung werde der Klimawandel in den Großstädten entschieden. München sei bei Klimawandel und Energiewende durchaus führend, aber es gebe auch Rückschläge im Bereich Energieeffizienz (z.B. dritte Startbahn Flughafen). Lorenz appellierte jedoch auch stark an die nimby’s, die „not-in-my-backyards“, an diejenigen, die keine Energieanlage vor ihrem Gartentor haben wollen: Gemeinschaftswohl geht vor Eigennutz!

Die Green City Energy AG wollte in Froscham bei Waging am See fünf Windkraftanlagen bauen. Der Bereichsleiter Windenergie, Jürgen Hoffmann, hat dies begründet und die Vorteile hervorgehoben. Alle gesetzlichen Voraussetzungen seien erfüllt, neutrale Gutachten haben das bestätigt, der Standort wurde als Vorranggebiet noch unter Bürgermeister Daxenberger planungsrechtlich hervorgehoben.

Präsentation von Jürgen Hoffmann: Klicken Sie hier

Die Anliegergemeinschaft „Keine Windkraftanlagen in Froscham“ dagegen kritisiert die Dimension des Projekts (fünf statt zwei Anlagen,  fast 200m Streichhöhe); Franz Trattler betonte jedoch besonders, dass sich im gegenseitigen Umgang ganz erhebliche Verhärtungen ergeben hätten, die Gegner seien schließlich nicht die „Deppen vom Land“.  Das Windkraftprojekt ist gescheitert.


Präsentation von Franz Trattler: Klicken Sie hier

Im Fall der Geothermie-Anlage in Bernried ist die Gemengelage eine andere: Dort liegen bergrechtliche Genehmigungen für Bohrungen vor. Der Investor, die BE-Geothermal GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Lutz Karl Stahl, will die  ungewöhnlich günstigen Bedingungen nutzen, die Bayern mit einer geologischen Warmwasserschicht im tiefliegenden Kalkgestein hat. Zusammen mit der Gemeinde Bernried will die BE-Geothermal nicht nur Fernwärme, sondern auch Strom erzeugen.

Präsentation von Lutz Karl Stahl: Klicken Sie hier

Genau gegen die „tiefe“ Geothermie zur Stromerzeugung wendet sich die „Bürgerinitiative Schutz Westufer Starnberger See e.V.“. Regina Fischer-Jech hob hervor, dass gegen eine Geothermie-Anlage zur Wärmeerzeugung grundsätzlich nichts einzuwenden sei, wohl aber gegen diese überdimensionierte Anlage im Landschaftsschutzgebiet, mit geringem Nutzungsgrad und lärmender Abwärmekühlung.
Das Projekt wird vom Verwaltungsgericht auf Zulässigkeit geprüft. Beide Referenten haben zugestimmt, in einem Jahr an einer erneuten Diskussion über den Stand des Projekts teilzunehmen (06.12.2012).

Präsentation von Regina Fischer-Jech: Klicken Sie hier

In der lebhaften Diskussion wurde eines schnell klar: Es kommt nicht auf Nabenhöhen von Windrädern und Bohrtiefen von Geothermie-Anlagen an. Kern des Konflikts beider Projekte ist die heftig missglückte Kommunikation und verspätet begonnene Bürgerpartizipation; nicht einmal ein gegenseitiger Faktencheck hat stattgefunden. Viele Diskutanten forderten, dass genau dies geändert werden muss. Wir müssten anfangen, ganz anders zu denken. Die drei E’s sind entscheidend: Energiesparen, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien. Nicht akzeptabel sind Ölschieferabbau in Kanada, Wasserkraftwerke in Norwegen und Bohrungen nach Öllagerstätten im Golf von Mexiko, also das Abschieben der Probleme in ferne Länder; sondern Erneuerbare Energie in unserer dezentralen Umgebung, dort wo der Strom nachgefragt wird; es ist unser Lebensmodell, das es zu ändern gilt; und es kann nicht länger Vorbild sein für China, Indien und Afrika.      

Dr. Helmut Paschlau