Donnerstag, 11. Dezember 2014
19.00 Uhr
Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft München e.V. (IBZ), Amalienstr. 38, München

Referentin: Jutta Saumweber vom Referat „Lebensmittel und Ernährung“ der Verbraucherzentrale Bayern
Moderation: Georg Schweisfurth, Vorstand Die Umwelt-Akademie e.V.

Da staunt selbst der gut informierte Verbraucher: Wie kann es sein, dass in zwei bis auf die Farbgestaltung identisch aussehenden Camembert-Schachteln nur einmal auch echter Weichkäse drin ist, während in der zweiten Verpackung lediglich eine Weichkäsezubereitung, also nicht aufwendig gereift ist, enthalten ist?

Ganz einfach: Weil in Deutschland der Produktname – also das, was in Großbuchstaben vorne auf der Packung steht und uns zum Kauf animieren soll – nicht unbedingt mit der Produktbezeichnung – die sich, oft aus gutem Grund, hinten über der meist sehr klein gedruckten Zutatenliste befindet – übereinstimmen muss. Und diesen Umstand nutzt die Lebensmittelindustrie weidlich aus. Da ist der Kaffee in der schön gestalteten Verpackung zu 10% mit Zucker „gestreckt“, wodurch der Händler ganz nebenbei die Kaffeesteuer spart und seinen Gewinn um genau diesen Betrag erhöht. Beim vermeintlichen Frischkäse (der nur ganz bestimmte Zutaten enthalten darf und aus reiner Milch plus einem Dickungs-/Säuerungsmittel und evtl. etwas Salz bestehen muss und dann direkt verpackt wird) handelt es sich in Wirklichkeit um eine Frischkäse-Zubereitung, die ganz legal mit allerlei Zusatzstoffen und Streckmitteln wie pflanzliches Fett und Eiweißersatz „optimiert“ sein darf, die im echten Frischkäse nichts zu suchen haben. Das Pizzagewürz der Firma XY besteht aus echten Kräutern und Gewürzen, während das Pastagewürz derselben Firma seinen intensiven Geschmack in erster Linie aus Aromen, Zucker und Geschmacksverstärkern bezieht. Nur der Blick aufs Kleingedruckte offenbart den Unterschied. Häufig suggeriert die Art der Verpackung ein anderes, hochwertigeres Produkt, wie etwa beim vermeintlichen Feta-Käse, der nicht aus Schaf-, sondern Kuhmilch gemacht ist – für den Verbraucher ist das erst auf den dritten Blick zu sehen.

Diese „Werbelügen am Produkt“, so Frau Saumweber, begleiten uns beim Einkauf auf Schritt und Tritt. Viele Lebensmittelhersteller führen zwei Produktlinien: eine, wo der Produktname hält, was er verspricht, und eine – von der ersten optisch auf den ersten Blick kaum unterscheidbare –, wo dies nicht der Fall ist. Da hilft nur eines: Immer das Kleingedruckte lesen, also die Produktbezeichnung und die Zutatenliste. Sie offenbart oftmals Überraschendes: Die Edelnuss-Mischung enthält Aroma, ebenso die Dose Erbsen und Möhren. Natürlich wird auch bei der Zutatenliste – ganz legal – getrickst. Da die Zutaten in der Reihenfolge ihres prozentualen Anteils am Produkt genannt werden müssen und es sich beim gesundheitsbewussten Konsumenten nicht gut macht, wenn Zucker an erster Stelle steht, werden verschiedene Zuckerarten eingesetzt, die dann jede für sich unter ihrer eigenen Bezeichnung (z.B. Maltodextrin, brauner Invertzuckersirup, Gerstenmalzextrakt, Glukosesirup) viel weiter unten in der Liste auftauchen! Das war vielen Zuhörern nicht bewusst.

Erhöhte Vorsicht ist generell bei Produkten geboten, die mit Worten wie „Fitness“ beworben werden und den Eindruck erwecken, kalorienreduziert zu sein. Selbst wenn auf der Packung „weniger Zucker“ steht und dies auch der Wahrheit entspricht, so ist dieser doch in der Regel durch einen höheren Fettgehalt ersetzt worden. Beim fettreduzierten Joghurt ist es umgekehrt: Er enthält dafür mehr Zucker. Wo Kalorien pro Portionsgröße angegeben sind, sind die Portionsgrößen üblicherweise viel zu gering angegeben, so zum Beispiel beim Müsli: 50 Gramm essen die wenigsten, sondern eher 100 Gramm und mehr. Bei einem Test der Verbraucherzentrale entsprach also eine durchschnittliche Portion etwa dem Doppelten bis Dreifachen der Packungsangabe. Da wird mit der Psychologie des Menschen gespielt.

Immerhin soll das Einkaufen für Allergiker in Zukunft einfacher werden: Ab 13.12.2014 gilt eine neue Kennzeichnungspflicht für die 14 häufigsten und etwa 90% der Patienten betreffenden Lebensmittelallergene. Sie müssen ab sofort in der Zutatenliste hervorgehoben werden. Beim Bäcker, Metzger oder bei offenem Thekenverkauf müssen die Verbraucher jedoch nach wie vor gezielt nachfragen. Auch die Gastronomen müssen diese Allergene künftig kennzeichnen. Das ist aufwendig und so machen es sich viele leicht, indem sie einfach prophylaktische alle 14 angeben (z.B.: „Kann Spuren von Nüssen enthalten“), selbst wenn gar keins dieser Allergene im Essen enthalten ist.

Fazit: Es ist ausgesprochen ärgerlich, dass das geltende Kennzeichnungsrecht den Herstellern so viele Schlupflöcher zur Verbrauchertäuschung lässt, aber wer konsequent die Zutatenlisten liest und vergleicht, kann Schönfärbereien und falsche Versprechungen auf Lebensmittelverpackungen zumeist schnell entlarven. Unzureichende oder irreführende Kennzeichnungen können Sie dem vom Bundesministerium für Verbraucherschutz finanzierten Internetportal www.lebensmittelklarheit.de melden. Der Hersteller wird dann aufgefordert, den Missstand zu beheben – durchaus mit Erfolg.
Der beste Rat lautet jedoch nach wie vor: Meiden Sie – die zudem häufig überteuerten – industriellen Fertigprodukte. Kaufen Sie stattdessen frische Lebensmittel und möglichst wenig verarbeitete Monoprodukte, und kochen Sie wieder mehr selbst! Nur so haben Sie die Kontrolle darüber, was bei Ihnen auf den Tisch kommt.

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