am Samstag, 11. Oktober 2014

Exkursionsleitung: Harry Rosenberger, Gemeinde Raubling, Dr. Nico Döring, Die Umwelt-Akademie e.V.

Dieses Moor gehört zu den größten Moorkomplexen des Alpenraumes. Wo bis zur Eiszeit noch ein See in der Größe vom Bodensee mit ca. 450 km² Fläche lag, wuchsen nach dem Auslaufen des Sees bis zu 10 Meter mächtige Hochmoortorfe auf: Auf dem dichten Seegrund staute sich das Wasser. Die Torfmoose wuchsen auf dem Wasser nach oben immer weiter und zersetzten sich unter dem Wasserspiegel, also ohne Luft-Zufuhr, zu Torf.

Vor der Ära des Torfabbaues, beginnend um 1800, waren die Stammbeckenmoore ein großflächiger Hochmoorkörper. Der Urzustand läßt sich lediglich in der Sterntaler Filze, dem letzten intakten Hochmoor hier im Rosenheimer Becken, nachempfinden. Im letzten Jahrhundert wurden Moore zunächst kleinweise entwässert und als Handtorfstich in sogenannte Torfziegel abgestochen. Hier in den Rosenheimer Stammbeckenmooren arbeiteten aber zu Hochzeiten, 1800 – 1880, bis zu 700 Arbeiter im Torfstich (hauptsächlich für die Verbrennung in der Rosenheimer Saline). Durch weite Trockenlegungen und maschinellen Frästorfabbau entstanden so riesige Flächen mit trockenen, ständig gefrästen Torfwüsten. Die 1 km-langen Fräsfelder wurden mehrmals jährlich zentimeterweise abgefräst.

Das hatte große Nachteile:

  • Aufgrund der Entwässerung der Moore entwickelten sich artenarme Moorheiden mit Zwergsträuchern und kümmernden Wäldern. Die natürliche Moorvielfalt in Flora und Fauna – es gab alleine 39 verschiedene Torfmoosarten und spezielle Vogelarten – ging großflächig verloren.
  • Die entwässerten und drainierten Moore konnten insbesondere bei Starkregen das Wasser nicht mehr zurückhalten, die Hochwasserspitzen nahmen zu und gefährdeten die umgebenen Ortschaften.
  • Im Zuge der Entwässerung kommt Luft an den Moorkörper, das Moor zersetzt sich. Es erfolgt ein Biomasseverlust von 5 - 10 m³ Torf pro Jahr und Hektar, bei gleichzeitiger Bildung von Methan (CH4). Das ist eine enorme Klimabelastung; freiwerdendes Methan ist 23-fach klimaschädigender ist als CO2. Im genässten Zustand dagegen sind Moore dagegen hervorragende Kohlenstoff-Depots; ihre vernässende Renaturierung ist ein wichtiger Baustein im Schutz gegen die Erderwärmung durch CO2.

Es brauchte die Vision und 17 Jahre Engagement mit allerlei Aktivitäten wie Medienrummel, Gutachten, Anträgen und Exkursionen engagierter Moor-Schützer, bis es losging mit der Renaturierung; das war 1997.

Bei der ersten „Moor-Renaturierung“ durch die Torf-Abbaufirmen wurden Entwässerungsgräben mit Torf und Holz geschlossen, um das Regenwasser wieder im Moor zu halten. Dann renaturierte der Landkreis im Zuge des EU-Projekts „LIFE-Natur Rosenheimer Stammbeckenmoore“ von 2005 bis 2010 rund 420 Hektar. Das kostete den Steuerzahler nahezu 2 Mio. €.

Später erkannte man, dass die improvisierten Dämme einem Jahrhundertregen nicht standhalten könnten und insbesondere bei Starkregen zu einer Überschwemmungs-Gefahr wurden. Ein neues Renaturierungsprojekt wurde vom Landesamt für Umwelt (LfU) aufgestellt; gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt wurden neue (wasserbaulich berechnete) Dämme für eine sichere Wasserrückhaltung gebaut. Diese „zweite Renaturierung“ der Stammbeckenmoore umfasste nun 1.100 Hektar Moor. Die Dammbau -Kosten lagen über einer Million Euro. Der Fokus lag nicht auf der Verbesserung der Biodiversität, sondern auf der Hochwasserrückhaltung. Die Arbeiten bewährten sich: 2013, bei einem 200-jährigen Regenereignisses, hielten die Dämme das Wasser im Moor zurück.

Zugleich zeigte sich aber auch, dass die in Entwässerungsgräben noch vorhandenen Torfmoose in der Lage waren, sich für ein neuerliches Hochmoorwachstum zu regenerieren: Das charakteristische saure Milieu des Hochmoores hat sich mit einem pH-Wert unter 4 wieder eingestellt. Das sind ideale Voraussetzungen für das weitere Moorwachstum und die gewünschte moorspezifische Biodiversität.

Mit der Größe der Renaturierungsflächen von über zehn Quadratkilometern entstand ein weiter und ungestörter Lebensraum, auch für viele Vogelarten. Kraniche z.B. entdeckten ihn und nutzen ihn alljährlich auf ihrem Zug. Noch ist der Flächenumgriff der Renaturierungsmaßnahmen nicht vollständig. Es wird noch viele Generationen Engagement brauchen, bis das Moor in etwa wieder renaturiert sein wird, wie es vor dem Jahr 1800 aussah. Die spannende Frage während der Exkursion der Umwelt-Akademie e.V. war, ob der Mensch – in seiner großen Weitsicht – hier steuernd eingreifen (und etwa die 39 Torfarten durch Menschenhand ansiedeln) soll, oder doch besser Natur Natur sein lässt; mit dann nicht vorgeplanten Ergebnissen.

Die dunkle Seite: Die Unternehmen,  die während der industriellen Torfabbau-Zeit die Gewinne durch Naturzerstörung machten, sind, ohne dass sie ihre Versprechen einer vollständigen und hochwertigen Renaturierung gehalten hätten, aus der Verantwortung entlassen worden: Nun zahlt der Staat, zahlen wir Steuerzahler, Millionen für die Bereinigung der Abbauschäden und Renaturierung der Moore.

Die Exkursion der Umwelt-Akademie wurde mit Interesse vom Landesamt für Umwelt (LfU), der Regierung von Oberbayern und dem Landratsamt Rosenheim begleitet und dankenswerter Weise mit Hintergrundinformationen unterstützt. Geführt wurden wir von Herrn Rosenberger von der Gemeinde Raubling, der uns mit viel Herzblut einen guten Einblick zum aktuellen Stand der Rosenheimer Stammbeckenmoore vermittelte. Danke.

Dr. Nico Döring

Frästorfabbau
Schon in den  achtziger Jahren forderten Naturschützer gemeinsam die Beendigung des  Frästorfabbaus und die Renaturierung der Moore  der Rosenheimer Stammbeckenmoore
Foto: Bund Naturschutz Kolbermoor