Kommentar von Peter H. Grassmann

Unter all den Protesten gegen die Gesprächsführung der Kanzlerin im Vorfeld der Bundesrats-Sitzung zur EG-Novelle war einer besonders ungewöhnlich. Der Bundesverband der Stadtwerke beschwerte sich umständlich höflich, aber sehr deutlich darüber, dass er zum Kanzlergespräch über die EEG-Novelle nicht geladen wurde, wohl aber die großen Konzerne. Denn schließlich seien die erneuerbaren Energien doch eine regionale Angelegenheit.

Erneuerbare Energien sind regional

Tatsächlich ist das der zentrale Dreh- und Angelpunkt: Erneuerbare Energien sind vom Prinzip her regional, gleich ob Wind, Sonne, Biogas oder Geothermie. Während bei Atom, Kohle und teils auch Gas große Kraftwerke und riesige Überlandleitungen am wirtschaftlichsten und teils sogar zwingend sind, sind die erneuerbaren Energieformen kleinteilig und stark auf das Lokale orientiert. Die Skaleneffekte größerer Anlagen sind deutlich geringer. Deshalb verbündete sich der Bundesverband Erneuerbare Energien BEE auch mit dem Förderverband regionaler Strukturen, um gemeinsam in einer sehr dezidierten Mittelung diese regionalen Stärken darzustellen. In lokaler Vernetzung sind diese Energieformen  ideal für die regionale Selbständigkeit von Stadtwerken oder als klimaneutrale Kommune oder Region.

Wind und Sonne erlauben mit modernen Wechselrichtern und Systemtechnik schon für sich allein gute Netzstabilität bei entsprechenden Wetterbedingungen – größere Solar-Flächenparks stabilisieren da sogar das Mittelspannungs-20 kV-Netz und liefern nebenbei wetterunabhängig die sogenannte Blindleistung. Das dann ergänzt durch Biogas und Geothermie und ein kleines regionales Gaskraftwerk ergibt gut abgerundete Selbständigkeit. Wichtig dabei, auch Gaskraftwerke sind heute bereits in relativ kleiner Größe gut wirtschaftlich. Dazu dann noch Speichersysteme, auch die der E-Mobilität und lokales „smart-metering“ zur Steuerung von Großverbrauchern und Speichern – und die regional selbständige Energiezukunft ist perfekt. Es ist der vorgezeichnete Lösungsweg für die klimaneutrale Kommune, mit deutlich reduzierten Forderungen an die zentralen Versorger.

Das Geschäftsmodell der Energiekonzerne ist gefährdet

Damit rückt die Auseinandersetzung in eine andere Dimension, in eine, die möglicherweise die Kanzlerin noch negiert, sonst hätte sie anders eingeladen. Es ist diese Auseinandersetzung mit der heute weitgehend auf zentrale Großtechnisch ausgerichteten Energiewirtschaft. Die fürchtet die Schwächung dieser Zentralsysteme, Basis ihrer heutigen monopolhaften Marktbeherrschung. Der Gefahr entsprechend hat sie ihre Medien- und Lobby-Arbeit ausgerichtet. Mit reichlich Schreckensszenarien und Einseitigkeit.

Vor diesem Hintergrund war das Übergewicht der Konzerne im Kanzlerinnengespräch mehr als ein entschuldbares Versehen. Es war kraft des Gewohnten eine Fehleinschätzung der schwindenden Stärke  alter Strukturen und eine unnötige Verbeugung der Kanzlerin vor den von ihr immer so bewunderten Chefs der Großindustrie.

Entsprechend ging es wohl um die Fortsetzung des „sicheren“ Zentralmodells, ergänzt durch offshore und Desertec, statt darum, auch die großen Energiekonzerne einzuladen, sich regional zu beteiligen und ihre Forderungen nach großen Gaswerken und Stromautobahnen als Allheilmittel etwas zurückzuschrauben. Erfahrung in Regionalstrukturen hätten die Energie-konzerne, denn schließlich ist deren Oligopol aus der Privatisierung von Stadtwerken und kommunaler Energiewirtschaft hervorgegangen, damals, als Atom und Kohle die regionalen Erzeuger in die Defensive drückten. Heute jagen die Erneuerbaren Energien dem fossilen Angebot bereits die bisher so lukrative Mittagsspitze der Strompreise ab, denn gerade da scheint die Sonne am besten. Und auch manchem Windrad wird der Stillstand aufgezwungen, angeblich, weil die großen Kraftwerke nicht so schnell regeln können – so als ob die nicht längst ihre eigenen Meteorologen und Windprognosen hätten – oder weil man für die Windregionen Mecklenburg-Vorpommerns keine Verbindungsnetze nach Berlin bauen und die Vattenfall-Kohlekraftwerke dort gefährden will.

Regionale Wertschöpfung und die Hoffnung der Neuen Bundesländer

Die zukünftigen Systeme erzeugen nicht nur Energie regional, sie bringen auch bei der Implementierung reichlich regionale Wertschöpfung. Systemtechnik, Handwerk, tägliche Betreuung, alles notwendige Wertschöpfung unabhängig davon, woher nun die Solarmodule oder Windräder kommen. Deshalb sind ja gerade das Handwerk und der Mittelstand über die massive Beschränkung der Photovoltaik so erbost. Es geht eben nicht nur um die fünftausend Arbeitsplätze der ostdeutschen Solarmodul-Produzenten, es geht um die bis zu dreihundert-tausend Arbeitsplätze deutschlandweit, die an der Fortsetzung der Wende hängen.

Die EEG-Novelle wäre allerdings problemlos für die Regierungskoalition ausgegangen, wenn das nicht noch verstärkt worden wäre durch diese politisch besonders brisante Regionalkomponente, die der hoch subventionierten ostdeutschen Modulhersteller. Denn diese Industrie entwickelte sich als einer der wenigen Industriezweige zu einer ernsthaften Größe in den neuen Bundesländern. Die Produktion von Solarmodulen benötigt große, teure Anlagen und ist damit investitionsintensiv. Da versprachen die im Osten üblichen hohen Fördergelder Vorteile. Aus Bitterfeld wurde Solar-Valley und die amerikanische First Solar ging mit ihrem Dünnschicht-Werk nach Frankfurt/Oder. Und natürlich wollte die Politik Arbeitsplätze – viele, mit Fördermitteln ja unterstützt, allerdings leider oft ohne Rücksicht auf dauerhafte Konkurrenzfähigkeit.

Innovatives ist immer International

Denn da übersah man die internationalen Trends. Die Modulfertigung, die übrigens mit maximal 40% nur den kleineren Tel der Wertschöpfung der Solarbranche ausmacht – der überwiegende ist Handwerk und Systemtechnik – nutzt junge und in rascher Veränderung begriffene Technologien. Die sind nun im zweiten Fünfjahres-Programm ein Schwerpunkt der chinesischen Regierung. Deren Angriff war lange vorhersehbar. Abwehr dagegen ist kontinuierliche Innovation, das Studium von Alternativen, es ist Lernkurven durchzuarbeiten und es ist auch die Mischung mit den Niederlohn-Möglichkeiten der Nachbarländer, die die deutsche Wirtschaft im Moment so erfolgreich macht. Die deutsche Industrie hat so immer wieder geschafft, sich mit fernöstlicher Konkurrenz auseinanderzusetzen. Allerdings war da der fast nur auf Ostförderung aufbauende Ansatz der Modulhersteller zu kurzatmig.

Vergleicht man die Forschungsaufwendungen von 2 oder 3% der Photovoltaikfirmen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit den 8 bis 10% gleich großer Firmen nebenan wie Carl Zeiss oder Jenoptik, dann wird klar, dass hoher F&E, Systemtechnik und Langfristigkeit Erfolgsvoraussetzungen sind. Das sind die Regeln, die übersehen wurden, bei denen jetzt aber die Sanierung der insolventen und der schließenden Solarwerke ansetzen muss. Förderung von Innovation und Prozessbeherrschung, situationsbedingte Flexibilität der Gewerkschaften und Teamgeist. Auf keinen Fall ist Selbstaufgabe richtig. Auch andere Industrien hatten solche Phasen durchzustehen, die Medizintechnik beispielsweise, aber auch der deutsche Maschinenbau und die Automobilbranche. Das zu übertragen, ist die globale Komponente dieser Auseinandersetzung um zukünftige Energiestrukturen.

Bundesratsvorschläge sichern die Wende – und die Industrie

Es bedarf also verstärkt öffentlicher F&E-Förderung mit politischem good-will und ungewohnt  kooperative Gewerkschaften und weiterer Investitionen in neueste Technik. Vor allem aber bedarf es der Annahme aller von den Bundesländern über den Bundesrat eingeforderten Änderungen der EEG-Novelle. Denn ein guter Heimatmarkt ist Voraussetzung für den Erfolg in einem innovativen und international konkurrierenden Geschäft. Es ist nicht alltäglich, dass der Bundesrat eine so detaillierte Wunschliste abgibt wie hier. Die Wende ist eben auch ein Kampf der Regionen. Zu hoffen ist nur, dass daraus nicht ein Kampf der Parteien wird.

Klimaneutrale Energiewirtschaft

Am Schluss allerdings geht es darum, dass wir den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen. Dessen Schrecken hat der Club of Rome gerade wieder einmal klar gemacht. Vor diesem Hintergrund ist jedes abgeschaltete Windrad, das der Energie aus Kohle und Gas den Vorrang geben musste, eine Schande. Das sind die sichtbaren Zeichen, wer im Lande  das Sagen hat – und wo das regionale Energiemanagement schon funktioniert. Wer sich die Realität in diesen Spargelfeldern ansieht, fühlt: Geliebt werden Erneuerbare Energien noch nicht, jedenfalls nicht von der Politik.

Eigentlich sollten die Erneuerbaren Energien ja gerade durch ihre Erfolge stimulierend für eine Beschleunigung der Wende sprechen. Wer die aktuellen Zuwachsraten sieht, der fühlt, dass Deckel und Korridore künstliche, unnötige  Grenzen sind. Für die Realisierung der Wende wären neuesten Schätzungen mehrerer großer Initiativen zufolge nicht vierzig,  sondern eher zwanzig Jahre nötig. Die Bereitschaft weiter Teile der Bevölkerung scheint gegeben. Man will die Schande einer klimaschädigenden Energiewirtschaft beenden. Nun muss nur die immer um uns besorgte Politik dies auch wahrhaben. Vielleicht kann man sie mit einem nationalen Argument locken.

Nationale Sicherheit statt Energieimport

Denn, nach der Wende ist auch der laufende Geldkreislauf der Energiekosten regional. Nicht mehr Importe für Öl, Kohle und Gas werden bezahlt, sondern regionale Leistung werden bezahlt. Es bedeutet die Abkehr der Energie-technologien von dramatischen Importmengen aus sozial oft problematischen Ländern und die Abkehr „vom Kampf ums Öl“. Das Geld bleibt im Lande, ein bei uns übrigens erstaunlich wenig beachtetes Argument – im Gegensatz zu den energiehungrigen USA, die deshalb bereits breit in den Erneuerbaren Energien unterwegs sind, teils mit deutscher Technik übrigens. Der Weltmarktführer in produzierter Modulmenge ist entsprechend ein Amerikaner – First- Solar. Mal sehen, ob die ihr deutsches Werk wirklich schließen müssen.

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