Donnerstag, 11. April 2013, 19:00 Uhr, Schweisfurth-Stiftung, Schlossrondell 1, München

Referentin: Prof. Theresia Theurl, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Universität Münster, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen

Genossenschaften, eine Organisationform, die zum ersten Mal Mitte des 19. Jahrhunderts von Hermann Schulze-Delitzsch und von Friedrich Wilhelm gegründet wurden, hatten bis vor einigen Jahren ein eher biederes, bodenständig und fast schon verstaubtes Image. Und das obwohl es allein im europäischen Raum rund 300.000 Genossenschaften mit über 140 Millionen Mitglieder gibt. Allerdings ist das vielen, z.B. Sparern bei Volks- und Raffeisenbanken, gar nicht direkt bewusst.

Der Nobelpreis 2009 für Wirtschaftswissenschaften an Eleonor Ostrom rückte diese Gesellschaftsform als ein bewährtes Instrument der Selbstverwaltung wieder stärker in den Blickpunkt. Und auch die Vereinten Nationen haben 2012 mit dem Ausruf des „Internationales Jahr der Genossenschaften“ diese Entwicklung gefördert und darauf hingewiesen, dass diese Unternehmensform gerade in marktwirtschaftlich schlecht erschlossenen Entwicklungsländern ideal ist, da sie die Ausbeutung durch Konzerne durch Lokalbezug, Eigeninteresse und Eigenanteil ersetzen kann.

Eine verstärkte Aufmerksamkeit nahm das Modell der Genossenschaft auch durch die Bankenkrise, als sich das eher sozial ausgerichtete Modell der Genossenschaftsbanken als wesentlich nachhaltiger und kaum anfällig für spekulative Geschäfte erwiesen hatte. Ein wahrer Boom bildete sich allerdings erst in den letzten Jahren vor allem mit den sogenannten Energiegenossenschaften, bei denen sich vielerorts (Mut-) Bürger zusammenschlossen haben, um gemeinsam in die Energiewende - sei es durch die Finanzierung, Bau und Betrieb einer Windkraftwerks oder auch der Übernahme des regionalen Energienetzes – aktiv mitzugestalten.

In ihrem illustrativen Vortrag erläuterte Frau Prof. Theurl die vielfältigen, neuen genossenschaftliche Gründungen insbesondere im Energiebereich sowie ihre Potenziale und Herausforderungen.
Als Besonderheit der Genossenschaft  erläuterte sie – im Gegensatz zum „Shareholder Value“ – den sogenannten “Member Value“, also den Mitgliederwert, den jedes Mitglied einer Genossenschaft erhält:

  • Die direkte Leistung, die eine Genossenschaft für das Mitglied erbringt
  • Den Eigentumswert, das heißt den Genossenschaftsanteil
  • Die Investitionen, die in nachhaltige Ziele und Projekte gesteckt werden

Das heißt in anderen Worten, eine Genossenschaft maximiert den Wert mit den Eigentümern und mit den Kunden für die Eigentümer.
Darüber hinaus sind Genossen oft auch Mitarbeiter in ihrer Genossenschaft und haben ein originäres Interesse an einem ehrlichen und nachhaltigen Erfolg ihres Unternehmens.
Trotz ihrer Besonderheiten sieht Frau Prof. Theurl die Genossenschaft nicht als dritten Weg, sondern als elementaren Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft an. Genossenschaften müssen ebenso wirtschaftlich erfolgreich sein, haben aber durch die aktive, demokratische Teilnahme (Jedes Mitglied hat eine Stimme) einen wesentlich stärkeren Blick für soziale Belange, transparente Entscheidungsprozesse und langfristige Lösungen.

Im Ausblick zeigte Frau Prof. Theurl die Herausforderungen für Genossenschaften auf, zum einen die Gratwanderung zwischen effizienten Entscheidungsprozessen und demokratischer Teilhabe, zum anderen das Spannungsfeld zwischen Dezentralität (Individualität) und Zentralität, das ab einer bestimmten Größenordnung auftritt.
Wichtig ist, dass eine genossenschaftliche Zusammenarbeit Spielregeln, die Rechte und Pflichten in einem toleranten und transparenten Verfahren festlegt.
Die Diskussion brachte eine ganze Reihe konkreter, praktischer Fragen und zeigte, dass schon einige Teilnehmer Mitglied in einer Genossenschaft sind.

Präsentation Prof. Theresia Theurl: Klicken Sie hier