gefördert durch IKEA-Stiftung, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Selbach-Umwelt-Stiftung, Manfred-Wierichs-Stiftung
gefördert durch und in Kooperation mit Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt

Donnerstag, 08.11.2012, 19:00h, Neues Rathaus, Großer Sitzungssaal

Kurzfilm: 300 years fossil fuel in 300 seconds

Grußwort:  Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt (RGU) der Landeshauptstadt München (LHM)

Referent: Prof. Dr. Ulrich Platt, Direktor des Instituts für Umweltphysik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

In 300 Sekunden die Entwicklung von 300 Jahren Nutzung fossiler Energie bis zur heutigen Klimaerwärmung des Globus darstellen, ist das möglich? Der Comic-Kurzfilm auf Youtube,typisch amerikanisch, vermittelt das eindrucksvoll und prägnant:
http://www.youtube.com/watch?v=cJ-J91SwP8w

Der Moderator, Dr. Helmut Paschlau, Vorstand der Umwelt-Akademie, der die Veranstaltung eröffnete, leitete passgenau vom Film zu „Sandy“, dem Hurrikan, der Ende Oktober die Karibik und die Ostküste der USA heimsuchte, über: Mehr als 200  Menschen sind zu beklagen, eine Woche Stromausfall für 6 Millionen Bewohner New Yorks, überflutete Straßen und U-Bahnen, Benzinmangel, Hungersnot auf Haiti und Kuba. Zuerst berichteten südamerikanische Medien vom Zusammenhang „Sandy“ und Klimawandel, dann kanadische. Am 31.10. vermutete  die konservative New York Times,: Sandy könnte vielleicht doch in Zusammenhang mit der Erderwärmung zu sehen sein?!  New Yorks konservativer Bürgermeister, Michael Bloomberg, sprach  am 06.11.12 eine Wahlempfehlung für Barack Obama aus und nicht für seinen konservativen  Parteifreund und Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, für den  Klimawandel und Umweltschutz eine nachgeordnete Rolle spielen.

Eröffnungsrede Paschlau: Klicken Sie hier

Nicht um +2°C, sondern um +4°C ist die Erderwärmung seit der Industrialisierung mit dramatischen Auswirkungen weltweit voran geschritten. Wir gehen weltweit ein erhebliches Risiko ein“, so auch Prof. Dr. Ulrich Platt, Naturwissenschaftler und Referent des Abend. Das Thema ist in aller Munde, mit unterschiedlichem Tenor und verschiedenen Vorgehensweisen – gemeint ist das gleiche.
Der Klimawandel habe auch erhebliche Konsequenzen und Kosten für Bayern: Umbau der Landwirtschaft und der Wälder, Hochwasser-Schutz, Infrastruktur. Als Beispiel sei hier exemplarisch die mit hohen Kosten verbundene Dachsanierung für größer dimensionierte Regenrinnen der Privathäuser zu nennen.

Bestätigt wurde dies auch von Joachim Lorenz, Umweltreferent der Landeshauptstadt München: In München werden wir aufgrund des Klimawandels nicht unbedingt in Summe mehr Regen bekommen, aber häufiger kurzzeitige heftige Niederschläge. Dafür sind die Entwässerungskanäle der Stadt nicht dimensioniert; so wird es häufiger Überschwemmungen geben. Die Stadt muss also kräftig investieren. Die Stadt München soll Vorbild im kommunalen Klimaschutz werden , sich an den klimatischen Wandel anpassen, und jeder der Münchner Bürgerinnen und Bürger sollte seinen Beitrag zum Klimawandel leisten.

Als Hauptreferent war geladen Herr Prof. Dr. Ulrich Platt, Direktor des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg.  Auf den ersten Blick scheinen seine Präsentationsfolien unverständlich,  theoretisch und zu wenig praxisnah. Eher eine naturwissenschaftliche Grund-Einführung. Typisch deutsch?

Präsentation Prof. Ulrich Platt: Klicken Sie hier

Das aber war so intendiert: Die Umwelt-Akademie möchte in all dem Partei- und Lobby-Gezerre um die Energiewende nochmals hervorheben und klarstellen, um was es im Kern geht: Die Energiewende in Deutschland ist eine Teillösung für die globale Klimaerwärmung.

Der Referent erläuterte zunächst, was „Klima“ von „Wetter“ unterscheidet. Er erinnerte an den Physikunterricht (Klimagesetze) und erläuterte die Kernfaktoren des natürlichen Treibhauseffekts (Sonnenstrahlung und Reflektion von der Erde, Albedo, Reflektion der Wärmestrahlung von der Atmosphäre in Abhängigkeit von deren Gaszusammensetzung).

Im Anschluss kam er auf den „anthropogenen“, also dem menschengemachten Treibhauseffekt seit der industriellen Revolution ab 1750 zu sprechen. Verantwortlich hierfür sind diverse Gase, die die Menschheit in die Atmosphäre emittiert, die meisten durch die Verbrennung fossiler Ressourcen wie Öl, Kohle, Gas, also CO2. Das führt zur Erhöhung der globalen durchschnittlichen Temperatur um derzeit etwa +0,8oC; jedoch je nach Kontinent und Erdregion in unterschiedlicher Ausprägung.  Als Folge wäre hier z.B. die Abschmelzung der Meereisbedeckung in der Arktis; und zwar weit schneller, als vom Weltklimarat IPCC vorhergesagt, zu nennen

Wissenschaftlich noch zu wenig erforscht sei die Bedeutung der Nephologie (Wolkenkunde) und deren künftige Entwicklung. Die unterschiedlichen Wolkenarten rufen andersartige Temperaturen hervor, z.B. sind die der unteren Atmosphäre eher kühlende, weil reflektierend..Doch ob „kühlende Wolken“ bei der Klimaerwärmung eher zu- oder abnehmend sind, ist unklar. Schwierig wirken sich  auch so genannte Rückkopplungseffekte aus: Die Klimaintensität durch menschengemachte +1,1o C kann durch Erhöhung der Wasserdampfkonzentration, weniger Schnee und Eis, Änderung der Bewölkung und Änderung des (kühlenden) vertikalen Temperaturprofils ein tatsächliches Plus von +2,5 bis + 4oC bedeuten! Die Prognosen des IPCC schwanken deshalb von den den Modellen unterlegten Annahmen, von „dramatische CO2-Minderung“ bis „weiter wie gehabt“, deutlich.

Was tun? In der Diskussion wurde klar: Rasche Reduktion der Treibhausgasemissionen und Anpassung an den Klimawandel sind ein MUSS. „Climate Engineering“, wie z.B. das künstliche Aufhellen von Wolken oder das Eisen-Düngen von Meeren – von Prof. Dr. Platt im Vortrag mit ironischem Unterton beschrieben – kann nicht die Lösung sein: Zu groß sind die Kosten und die Umwelt-Risiken. Die Menschen haben selbst den Schlüssel in der Hand: Weg von Fossilen, hin zu Erneuerbaren Energien. Auf die provokante Aussage, dass die Ursache des Klimawandels doch die zu große Anzahl von Menschen auf der Erde sei, antwortete der Referent: Es komme nicht auf die Anzahl der Menschen an, sondern auf deren Energieverhalten. Wer wolle den Indern und Chinesen, den Lebensstandard (und damit Energieverbrauch) verwehren, den wir in Westeuropa seit 300 Jahren vorleben?

Nach dem Scheitern internationaler Klimaverhandlungen sind nun verstärkt individuelle, regionale und einzelstaatliche Teillösungen gefragt, die helfen, die Erdtemperatur zu stabilisieren: Dazu gehört auch die deutsche Energiewende. Darüber bestand Einigkeit im Auditorium.