Exkursion in die Fröttmaninger Heide
Samstag, 19. Juli 2014
11.00 Uhr

Exkursionsleitung: Christiane Joas, Landschaftsarchitektin und Geschäftsführerin des Heideflächenvereins München

Treffpunkt für unsere Exkursion in die Fröttmaninger Heide war das Heidehaus, ein neues lichtdurchflutetes Informationszentrum, direkt auf der Westseite der U-Bahnstation Fröttmaning gegenüber dem neuen Fußballstadion. Das Heidehaus ist eine kurze Beschreibung wert. Es wird beheizt mit Erdwärme, hat ein bunt blühendes Gründach sowie auf den weit überstehenden Vordächern eine Fotovoltaikanlage zur Stromerzeugung. Die Solaranlage  ist als Folie auf dem flachen Dach montiert und hat eine Leistung von ca. 6000 kWh pro Jahr, was ungefähr 600 Litern Öl entspricht. Im Vorfeld der Exkursion erklärte ein engagierter ehrenamtlicher Heidefreund diese technischen Details. Vielen Dank!

Heide in ihrer unscheinbaren Schönheit

Auf den ersten Blick sieht es aus, dass als ob das Heidehaus von Ödland umgeben ist. Erst beim genauen Hinsehen eröffnet sich die Blütenpracht der Heide in ihrer feinen Schönheit. Unzählige bunte Blumen, das Flattern der  Schmetterlinge, ein geschäftiges Brummeln der Hummeln, viele Schwebfliegen auf den weißen Blüten der wilden Möhren, zirpende Heuschrecken  - kurz eine unbeschreibliche Vielfalt an Pflanzen und Tierchen auf engstem Raum. Wir kamen genau richtig und das der heiße späte Vormittag ideal zum Naturerleben.
Der Boden ist dort kiesig nahezu ohne Humus, trocken und "mager" wo wie der Fachmann ihn anspricht. So bleiben Blumen wie der gelb blühende Wiesenbocksbart recht  klein und unscheinbar. Die purpurrote Kartheusernelke,  der wilde Thymian, die weiße Schafgarbe der duftende bordeauxrote Majoran und der violett-rote Hauhechel standen in voller Blüte, dazwischen reingesprenkelt, der gelbe Hornklee. Ungezählte  Bläulinge, Dickkopffalter und Waldvögel flatterten, Hummeln brummelten Wildbienen summten von Blüte zu Blüte und Schwebfliegen standen still in der Luft; dazwischen das Gezirpe der Zikaden und Heuschrecken. Die Heiden sind ein Kleinod, den man auf den ersten ungeübten Blick oder zur falschen Jahreszeit leicht übersehen kann.

Die Münchner Heiden oder Haiden (zwei gültige Schreibweisen) waren um München herum früher weit verbreitet. Die Namen Haidhausen oder alte Heide erinnern an die Ur-Münchner Landschaft. Die offenen Heiden mit ihrem Blumenreichtum sind Kulturlandschaften, die durch dauernde Holzentnahme und durch Beweidung oder auch durch Überbeweidung eine „offene Landschaft geblieben und so geworden sind. Ohne diese Nutzungen würde die Haide schnell zu Wald. Wir konnten selbst sehen wie viele junge Kiefern und Weiden aufwuchsen. In weniger genutzten Bereichen prägen lichte Kiefernwälder und dichte Weidengebüsche die Heiden. Da hilft dann auch die Beweidung nicht mehr, um die blütenreichen Wiesen wieder zu erhalten. http://www.heideflaechenverein.de/freizeit/heidehaus/dokumente/flyer_heidehaus_2011.pdf

Gerade noch vor dem endgültigen Verlust...

Vor fünfundzwanzig Jahren waren nur noch einzelne isolierte Naturflächen vorhanden und Große Anteile  waren in den Händen der Bundeswehr. Den Kommunen nördlich von München und dem Heideflächenverein ist es in den letzten 25 Jahren gelungen, die noch vorhandenen Highlights zu erwerben. Mit vielen Flächen dazwischen entstand ein gut vernetzter Naturverbund. http://www.arche.bayern.de/naturatlas/gebiete/ob_heiden_muenchen.htm

Die Fröttmaninger Heide war nach dem zweiten Weltkrieg ein Truppenübungsplatz. Bei den Panzerübungen wurde die Landschaft regelrecht mit dem schweren Gerät umgegraben und so offen gehalten, allerdings immer nur in Teilbereichen. Nachdem das Militär abgezogen ist, haben die umliegenden Gemeinden die Flächen aufgekauft und als Erholungsflächen gesichert. Damit die Heiden  nicht zuwachsen, werden sie mit 500 Schafen von einem Schäfer und neuerdings auch zusätzlich mit einigen Ziegen beweidet. Die Ziegen gehen im Gegensatz zu den Schafen bevorzugt an die Gehölze und sind die effektivsten natürlichen Landschaftspflegen, wenn es um das Verhindern von Neu - Bewaldung geht. Holzarbeiter entnehmen -wo nötig- große Bäume. So versuchen sie ein Mosaik aus verschiedenen Heide Lebensräumen zu erhalten und zu gestalten. Eine Pflege durch Mahd ist aufgrund des unebenen Geländes, das so durch das Militär entstanden ist, nicht möglich. Allerdings haben es auch die Schäfer immer schwerer.

Schäfer und Schafe

Früher waren die Schafe selbstverständlich im Jahreszyklus der Heiden und gesamten Landschaft und Landwirtschaft mit den  Bauern integriert. Im Winter durften die Schafe auch fremde landwirtschaftliche Flächen beweiden. Die Felder profitieren, da winterliche Schafbeweidung  die Fruchtbarkeit der Böden steigert. Außer großen Flüssen gab es keine Schafbarrieren in der Landschaft. Heute gilt es dazu Autobahnringe, Schnellstraßen und ein dichtes Bahnliniennetze zu überwinden. So muss der Schäfer, der in Niederbayern beheimatet ist, mit seinen Schafen mitten in der Nacht ziehen um den Verkehr beim Queren der Straßen nicht zu blockieren. Auch sind mittlerweile manche Felder tabu. Ob die Gesellschaft Wege findet, dass diese Lebensart auch künftig ein Auskommen hat? Mit dem Schäfer und mit den Schafen würden ein Stück Kultur, ein Beruf, eine Lebensart, eine Landschaft und viele Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Sie haben sich in Jahrtausenden in ihrem Lebenszyklus auf die wandernden Schafherden eingestellt. Sie nutzten die Schafe zum Beispiel für die Verbreitung ihrer Samen.

Bei den Anrainern ist die hiesige Schafherde jedenfalls beliebt. Das letzte Fest mit Schäfer und Schafen kam bei den Gästen gut an. Für viele Gäste war es neben einem Besuch in der Heide eine seltene Gelegenheit, leckeres Schaffleisch von der bekannten Schafherde vor der Haustüre zu kosten - frisch gegrillt. Das schlägt Brücken zwischen Naturschutz und Natur verträglicher Tierhaltung, zwischen dem Schäfer und den Gästen und den direkten Nachbarn.

Naturschutz für die Kröten

Im Winter, wenn die Vegetation ruht, die Schafe in Niederbayern sind und die Tierwelt am wenigsten Schaden nimmt, testet nach dem Abzug der Panzer eine Münchner LKW-Firma ihre Fahrzeuge auf dem Gelände. Dadurch entsteht weiterhin ein Mosaik aus offenen Kiesflächen und Tümpeln, der ideale Lebensraum für die Wechselkröte, die hier einen bayernweiten Schwerpunkt hat. Selbst zum Zeitpunkt unserer Exkursion Ende Juli, waren noch einige Kaulquappen zu sehen. Frau Joas, Geschäftsführerin des Heideflächenvereins, erklärte uns, dass die Wechselkröte mehrfach im Jahr Eier ablegt. So sichert sich die Kröte ihre Nachkommenschaft, selbst wenn die Tümpel öfters mal bei ausbleibenden Niederschlägen  austrocknen und die Kaulquappen eingehen. Wechselkröten singen übrigens während der Paarungszeit, die vom Frühling bis in den Sommer reicht - ein beeindruckendes Naturerlebnis, zu dem der Verein auch Exkursionen anbietet.
Bevor die Panzer über dieses Gelände pflügten, und mit ihren Ketten hier die Pfützen ausschaufelten  lebten die Wechselkröten auch an der Isar, die vor ihrer Regulierung ein Gebirgsfluss mit weiten Schotterbänken und weit verzweigten Wasserrinnen war, durch Hochwässer (und nicht durch Panzer) ständig verändert. Dort war das Gelände ähnlich offen und auch nahezu ohne Bewuchs. Eine andere „Isarart“ war auf der Exkursion zu sehen: die blauflügelige Ödlandschrecke. Auch sie kommt  auf spärlich bewachsenen Schotterflächen, auf weitgehend offenem, nicht bewachsenem Boden vor. Später wurde die Art zusammenmit ihrer Verwandten, der blauflügeligen Sandschrecke auch auf den Bahnflächen des alten Rangierbahnhofes gefunden.

Militärische Hinterlassenschaften

Ein Problem für das Gelände ist, dass viele militärische Altlasten und Munition im Boden verblieben und verborgen sind. Zum einen war das Gelände, weil hier im zweiten Weltkrieg Kasernen standen, einer der Hauptbombenabwurfplätze in München. Durch die späteren Übungen kam weitere Munition hinzu. Aus diesem Grund darf das Gelände nur auf den geräumten Wegen betreten werden, zum Unverständnis mancher von einzelnen Anwohnern, die sich schon früher nie an Gebote der Bundeswehr gehalten haben. Wie im Winter die Spuren im Schnee zeigen, tun sie es auch heute nicht. Zum Glück ist noch nie etwas passiert.

Schutz, Besucher und Ausblick

Nun wird die Heide, sie ist schon nach der EU Flora Fauna Habitat Richtlinie geschützt auch ein bayerisches Naturschutzgebiet.
Der Heideflächenverein bemüht sich nicht nur die Qualität zu erhalten, sondern auch die isolierten kleinen „Heideinseln“ in der Agrar- und Siedlungslandschaft zu vernetzen.
Das hat Wirkung. Die Leute kommen. Es bedarf die vielen Interessierten zu informieren, ihnen die Highlights zu zeigen und sie dabei so zu lenken, dass kein Schaden an der Heide entsteht.
Zählte man früher in dem Bereich der Fröttmaninger Heide ca. 500 Besucher, so steigt mit der Bekanntheit auch der Besucherstrom in die Heide. Auch wir waren begeistert und kommen gerne wieder. Und das ist auch gewünscht.
Vielen Dank an Christine Joas für ihre spannende Führung

Dr. Nico Döring

 

Dickkopffalter (Foto N. Döring) 

Am Heidehaus mit Blick über die Fußballarena (Foto N. Döring)

 
blühende Vielfalt mit der weißen wilden Möhre und dem goldgelben Johanniskraut (Foto N. Döring)

 

Du bist ok Am Wegesrand (Foto N. Döring)

  

Tümpel für die Wechselkröte Foto L. Jahrsdorfer

  

Sanddorngebüsch (Foto L. Jahrsdorfer)