Ornithologische Herbst-Exkursion

07. September 2013

Die bei Fischern sehr unbeliebten Kormorane waren über viele Jahre als Brutvögel aus Bayern verschwunden. Seit den 1980er Jahren nehmen die Bestände wieder zu und mittlerweile brütet der Kormoran „erfolgreich“ auch in Bayern. Jedoch sobald Kormorane in Scharen auftreten, ist insbesondere in ungeschützten Fischzuchtanlagen eineTotalvernichtung des Fischbestandes vorprogrammiert. Das führt unweigerlich zu Konflikten zwischen Vogelschützern und Gewässernutzern. Wir gingen den Fragen nach, ob in Bayern der Kormoranbestand sinnvoll zu regeln sein kann? Welche Maßnahmen wären hierfür geeignet? Müssen wir handeln, um die Natur vor sich selbst zu schützen? Gibt es eine für alle Lebensraumbewohner sinnvolle Lösung?

Vier Experten begleiteten die Exkursion bei wunderbarem Spätsommerwetter:

  • Dr. Helmut Rennau,Gebietsbetreuer des Ismaninger Speichersees mit Fischteichen
  • Matthias Ruff, Kormoranbeauftragter am Bayerischen Landesamt für Umwelt
  • Manfred Siering, Vorsitzender der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern e.V.
  • Dr. Nico Döring, Projektleiter „Biodiversität und Gewässer“, Die Umwelt-Akademie

In dieser Exkursion entstand ein hochinteressanter Austausch zwischen den Fachgruppen, die erst am Nachmittag beim Auseinandergehen nach dem anschließenden Biergartengespräch ein Ende fand.

Zu Beginn der Exkursion zeigte sich gleich der Eisvogel, der sich wie zum Willkommensgruß nur wenige Meter neben uns plazierte, während Manfred Siering einen Überblick über die Entstehung des Ismaninger Speichersees und seiner Teichanlagen gab. Sie fungieren als Teil der Abwasserklärung der Stadt München und sind ein Teilstück des Isarkanals zwischen München und Landshut, das zur Stromgewinnung dient.

Der von der Isar gespeiste Ismaninger Speichersee wurde 1929 in Verbindung mit dem Mittleren Isarkanal errichtet. Die dazugehörige große Teichanlage wurde bis vor wenigen Jahren zur sommerlichen Nachklärung der Münchner Abwässer sowie zur Karpfenzucht genutzt. Dazu wurden vorgereinigte Münchner Abwässer mit Isarwasser gemischt, in dieser „Brühe“ wuchs vieles - auch Karpfen. Diese weitläufigen Wasserflächen mit einem hohen Nahrungsangebot haben sich zu einem Eldorado für einen Großteil der westpaläarktischen Wasservögel und als international bedeutendes Mausergebiet entwickelt. Zur Mauser(Gefiederwechsel) ziehen sich die Vögel in möglichst geschützte Bereiche zurück, da sie dann weniger flugfähig und somit leichte Beute für Fressfeinde sind. Zudem haben sie während dieser Zeit einen erhöhten Futterbedarf, um ihr neues Gefieder aufzubauen und benötigen mehr als sonst Ruheplätze in ungestörten Uferzonen.

Kormorane sind am Speichersee seit 1977 mit einer Brutkolonie vertreten. Auch am Ammersee und am Chiemsee entstanden etwas später Brutkolonien. Kormorane brüten vornehmlich auf Bäumen und auf Felsen. Am Speichersee brüteten sie zunächst auf großen Silberweiden auf einer Insel. Durch den ätzenden Kot sind die großen Silberweiden des Brutplatzes nach und nach abgestorben und das Geäst brach mittlerweile weg, nur die „Baumskulpturen“ stehen noch. Die Vögel siedelten zum Nisten auf noch vitale benachbarte Bäume um. Die ursprüngliche Brutinsel wird sich nun ohne Brutkolonie allmählich wieder erholen und neu bewachsen.
Mit Blick auf die toten Brutbäume konnten wir gleichzeitig einen großen Trupp Kormorane beim Fischen beobachten. Etwa 100 Kormorane schwammen in die gleiche Richtung und trieben sich so gegenseitig ihre Nahrung zu; über uns flogen verschiedene Kormorantrupps mit bis zu zwanzig Vögeln. Für ihre Beutesuche hat diese Vogelart einen Radius von ca. 50 km.

Angesichts dieser beeindruckenden Jagdszene gab uns der Kormoranbeauftragte Matthias Ruff anhand von Diagrammen und Statistiken einen Einblick in den Kormoranbestand, zeigte aktuelle Trends und Erfolge bzw. Misserfolge beim „Kormoran-Management“ auf. Einige Fischer beklagen, daß der Kormoran heute den Fischbestand maßgeblich dezimieren würde. Insgesamt ergibt sich jedoch ein komplexeres Bild.


Grundsätzlich muss man bei Kormoranen zwischen Sommergästen - mit Brutpaaren und Jungvögeln - und den Zugvögeln im Winter, die in großer Zahl von Nord und Ostsee kommen, unterscheiden. Der Kormoran hat in Süddeutschland sein natürliches Verbreitungsgebiet, auch wenn er vorübergehend durch starke Bejagung nicht mehr hier brütete. Sein Bestand unterteilt sich in einen kleinen Brutbestand und in zahlreiche Wintergäste.

Zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt wird nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 abweichend von § 44 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) die Tötung von Kormoranen (Phalacrocorax carbo sinensis) durch Abschuss in einem Umkreis von 200 m um Gewässer erlaubt. Der Abschuss ist nur zulässig in der Zeit vom 16. August bis 14. März.  Ein Kormoran frißt täglich ca. 400 Gramm Fisch. Fischteiche, Kanäle und Gewässer, die wenig Rückzugsräume, Zufluchtmöglichkeiten und Höhlen für die Fische bieten, werden von den Kormoranen regelmäßig fast leergefressen. Gerade wegen der Stauseen und der Kanalisierung der Flüsse, wie an Isar, Inn oder Lech wird die Ansiedlung des Kormorans begünstigt und der Lebensraum der Fische gestört. So ist das Ärgernis der Fischer über den Kormoran auch in der Gestaltung der Wasserführung des Wassermanagements begründet.

Menschengemachte Veränderungen bieten dem Kormoran günstige Lebensbedingungen: Stauseen, Teichanlagen, Kanäle, viele kleine künstliche Gewässer im Zuge von Ausgleichsmaßnahmen großer Bauvorhaben (z.B. Flughafen) sorgen für ein reichliches Nahrungsangebot und für Kormorane „leichte Beute“, da die Fische kaum Verstecknischen haben. Das betrifft die eher träge Fischart Äsche besonders, aber andere Gattungen auch. Gleichzeitig verlieren Fische durch menschengemachte Veränderungen an den Fließgewässern (Staustufen, Begradigung, Abkopplung der Aue mit Altwasserarmen, Wegfall von Einständen, Schutzbereichen und Laichgewässern, Verschlechterung der Wasserqualität) ihre Lebensräume, weshalb die Bestände seit Jahrzehnten - unabhängig von der Bejagung durch den Kormoran - rückläufig sind. Viele Fischarten sind nur noch in kleinen Beständen vorhanden, manche sind ausgestorben.  Diese beiden Ursachen sind laut Untersuchungen die Hauptgründe für Einbrüche in der Fischfauna und auch das Aussterben mancher Fischarten.

Aktuelle Probleme mit dem Anstieg der Kormoranpopulation führten zur Berufung eines Kormoranbeauftragten am Landesamt für Umwelt. Herr Ruff erläuterte verschiedene Strategien, um die Konflikte zwischen Kormoranen und Fischern zu reduzieren.
Man machte Experimente, um zu sehen, auf welche Maßnahmen der Kormoran reagiert und welche kein Ergebnis bringen. Durch landesweite willkürliche Einzelmaßnahmen ließ sich die Kormoranpopulation insgesamt nicht verringern. Allerdings machte man gute Erfahrungen mit gezielten lokalen „Vergrämungsmaßnahmen“: Es genügte, an drei aufeinanderfolgenden Tagen einzelne Tiere abzuschießen, die Artgenossen registrierten dies und mieden darauf hin das Gebiet langfristig. Keine Lernwirkung zeigten einzelne wahllose Abschüsse an verschiedenen Orten.

Offene Teichanlagen zur Fischzucht bieten dem Kormoran ungehinderten Zugang zu seiner Beute. Kleine Anlagen konnten durch Netze geschützt werden. Bei großflächigen Anlagen ist der Aufwand hierfür unverhältnismäßig hoch.

Ein Negativbeispiel in Sachen Kormoranvergrämung ereignete sich am Chiemsee. Dort hatte sich ein Seeadler in der Nähe der Kormorankolonie gezeigt und machte alle Anstalten, sich zum Brüten anzusiedeln. Kormorane meiden das Revier von Seeadlern – daher hätte die Ansiedlung eines Seeadlers zum Rückzug der Kormorane geführt. Man inszenierte entgegen dem Rat der Ornithologen Kormoran-Vergrämungsmaßnahmen, die zwar auf die Kormorane keinen Eindruck machten, aber den Seeadler vertrieben. Hätte er dort gebrütet, wäre dies die nachhaltigste, weil natürlichste Vergrämung der Kormorane gewesen.

Da insbesondere die großen Kormoran-Winterbestände sehr flexibel sind, ist eine Bejagung in Bayern eher ungeeignet, um diese Bestände an Wintergästen zu regulieren, aber es hilft, daß sie weiträumig ausweichen.

Eine Zusammenschau der von allen Fachgruppen (hier: Ornithologen und Fischer) vorgebrachten Sichtweisen könnte zu einer strategisch sinnvollen Vorgehensweise führen, um den Interessen aller Lebensraumbewohner gerecht zu werden. Ein gewichtiger Aspekt scheint das Nichtvorhandensein von Rückzugsräumen für Fische in den künstlich angelegten Gewässern zu sein, dadurch werden die künstlichen Teiche und Kanäle für Kormorane ideale Orte zur leichten Futterbeschaffung. Kormorane abschießen wird das Problem dauerhaft keinesfalls lösen. Der natürliche Gang der Dinge wäre, dass es zu wenig Fische gibt für die Vielzahl von Kormoranen, und sie deshalb abwandern würden. Die Fischbestände aufzubauen, ohne gleichzeitig entsprechende Rückzugszonen zu installieren, wird auch nicht zum gewünschten Resultat führen, denn die Kormorane werden wohl die Fische schneller wegfressen als sie zu geschlechtsreifen Tieren heranwachsen können.

Es gibt auch Ansätze, die Population der Kormorane durch Ansiedlung von weiteren Feinden zu vertreiben, auch wurde an anderer Stelle beobachtet, dass natürliche Feinde das Brutgelege aus den Nestern der Kormorane holen und so die wohl effektivste Möglichkeit einer Bestandsverringerung darstellen. Siehe: Klicken Sie hier

Gegenwärtig wird an der Universität Innsbruck untersucht, an welchem Gewässer welche Fischarten das Hauptfutterspektrum des Kormorans sind. Hierdurch soll das Ausmaß der Nahrungskonkurrenz zwischen Kormoran und Fischern dargestellt werden.
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