Donnerstag, 28. Februar 2013, 19:00 Uhr, Vortragssaal der GLS-Bank, 1. Stock, Herzog-Heinrich-Str. 18, 80336 München

ReferentenInnen:

  • Sylvia Orlamünde, Ltd. Baudirektorin, Leiterin des (zuständigen) Wasserwirtschaftsamts München
    „Renaturierung der Mittleren Isar“   
  • Manfred Drobny, Bund Naturschutz Freising 
    „(Wie) Ist die Mittlere Isar noch zu retten?“

Moderator:

  • Dr. Nico Döring, kooptiertes Vorstandsmitglied der Umwelt-Akademie und Kenner der Isar

Die Renaturierung der Südlichen München-Isar wird gefeiert. Eine Glanzleistung des Naturschutzes? Ein Kompromiss verschiedenster Anforderungen und Nutzerwünsche! Jedenfalls wird die „neue Isar“ von der Bevölkerung als naturnahes Wasser wieder erlebt und – nicht immer richtig – genutzt. Schon wird über die Neugestaltung der Isar im Verlauf Münchens heftig diskutiert. Eine Arbeitsgruppe arbeitet Ideen hierzu aus, einen ersten Stadtratsbeschluss gibt es schon.

Der Auwald stirbt, die Isar hat sich bis acht Meter tief eingegraben und die Wasserqualität ist wegen der Einleitung von Abwässern für bestimmte Fische unerträglich. (Wie) ist die „Mittlere Isar“ noch zu retten? Kann man reparieren, verbessern, renaturieren? Wenn ja, wie? Wir, die Umwelt-Akademie, sind dafür bekannt, „heiße Eisen“ anzupacken und Menschen zusammenzubringen, die zu streitigen Themen oft nicht mehr miteinander reden. Deshalb wollten wir uns mit Pro und Contra informieren.



Ab kommendem Jahr muss die Isar nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) auch in diesem Abschnitt „in gutem Zustand“ sein – so der Rechtsbegriff. Das ist sie keineswegs und das ist auch nicht zu schaffen. Fast auf der gesamten Strecke und insbesondere bei  Achering südlich von Freising, dort wo die Autobahnbrücke zum Flughafen die Isar quert, hat sich die Isar wegen der Begradigung im 19. Jahrhundert und dem fehlenden Geschiebe, das im Sylvenstein-Stausee liegenbleibt, um bis zu acht Meter eingegraben. Isar, die Reißende, ist eine Patientin, so führte die Referentin aus. Jährlich geht es ihr mit der kontinuierlichen Eintiefung von 10 Zentimetern pro Jahr schlecht, immer schlechter. So schlecht, dass wegen möglicher Auskolkung der Flußsohle der Isar Bauwerke, wie z.B. Brücken – wie andernorts bereits geschehen – einstürzen könnten. Auskolkungen der Flußsohle sind viele Meter tiefe, in den weichen Flussboden der unteren Schichten gespülte Löcher.

Wie soll nach Auffassung der Behörden eine „Krankenbehandlung“ der Isar erfolgen? Die Behörde müsse aufgrund der europäischen und deutschen Vorschriften zum Gewässer- und Naturschutz handeln und dabei versuchen, eine Vielzahl von konkurrierenden fachlichen Anforderungen sowie von Wünschen von Grundstücksnachbarn und Gewässernutzern einvernehmlich zu berücksichtigen, so Orlamünde; das formale Verfahren beginne mit einer Anhörung der Träger öffentlicher Belange am 21.03.2013; später werde die allgemeine Öffentlichkeit hinzugezogen.

Präsentation Sylvia Orlamünde: Klicken Sie hier

Das erklärte Ziel sei, die Isar südlich von Freising von weiteren Querbauten zu befreien und sie wieder um 50 Zentimeter anzuheben, so Frau Orlamünde. Damit könne (möglicherweise) eine weitere Vertiefung der Isar abgebremst werden. Eine Anhebung des Flusses schon um einige wenige Meter – oder gar die Wiederherstellung der ursprünglichen Isar etwa im Stand von 1890 – sei wegen der vorhandenen Restriktionen, insbesondere der menschlichen Bebauung, schlechterdings unmöglich. Aber warum nur 50cm – die Frage aus dem Publikum blieb leider unbeantwortet.  

Wird das eine Rettung des Auwaldes oder wenigstens eine Hilfe für den Auwald sein, seinen spezifischen Bewuchs, die seltenen Wildpflanzen, seine einzigartige Tierwelt? Nein sicher nicht: Der Bewuchs eines Auwalds benötigt ständigen Wasserschluss und regelmäßige Überschwemmungen. Darauf wies Manfred Drobny in eindrücklichen Grafiken und Fotos aus den Auwäldern nördlich von München hin: es ist mit dem Absterben des Auwaldes und seiner spezifischen „Bewohner“ zu rechnen.

Wo bleibt das schlüssige Gesamtkonzept für die gesamte Isar, war seine Kernfrage, nicht nur hinsichtlich von Einzelabschnitten (wie „Mittlere Isar“) und Einzelthemen („Deicherhöhung Moosburg“)? So z.B. ein Konzept für die Geschiebeweiterleitung aus dem Sylvenstein-Stausee und den diversen Querbauten südlich und nördlich von München zwecks Verbreiterung der Isar und damit Verhinderung des weiteren Eintiefens; so wie Naturschutzverbände und die Isar-Allianz es seit 1993 fordern? (Seither hat die Isar sich um 2m eingegraben!). Oder die konsequente Befreiung des Flusses von Querbauten, welche Fischwanderungen verhindern, und die Anbindung an die Seitengewässer und die ehemaligen Altwässer der Auen (z.B. durch Erhöhung des Restwassers aus den südlichen Stadtbächen links der Isar, die von den Stadtwerken München genutzt werden)?

Drobny kritisierte auch bereits erfolgte Einzelmaßnahmen, die einem sinnigen Gesamtkonzept entgegenstünden: Nahe Halbergmoos beispielweise habe die Chance bestanden, das Isarbett im Auwald durch Rückbau des alten Dammes wesentlich zu erweitern; der Hochwasserschutz wäre durch einen neuen, nur einen Meter hohen Damm an der Außengrenze des Auwaldes bestens gewährleistet gewesen. Doch tatsächlich wurde der alte Damm beibehalten und – mit einer breiten Baustraße mitten durch die Aue – für sehr teures Geld gar auf sechs Meter erhöht. An fachlichen Anforderungen hierzu kann es nicht gelegen haben, auch die Grundstücke waren in öffentlicher Hand; Partikularinteressen eines einzelnen Grundeigentümers hatten den Ausschlag gegeben, die Behörden seien „eingeknickt“.

In der Diskussion mit den etwa 40 TeilnehmerInnen zeigte sich, dass eine erheblich große Zahl von einschlägig informierten Personen anwesend war, (ehemalige) Angehörige von diversen Fach-Behörden, der Regierung von Oberbayern, dem Umweltministerium etwa, sowie Personen, die sich seit Jahrzehnten für die Isar engagieren. Weitgehend war man sich einig: Vielfach fachlich unbefriedigend, behördlich widersprüchlich (z.B. zwischen Wald- und Wasserwirtschaft), zu halbherzig weil finanziell nicht ausreichend ausgestattet, zu häufig dem Druck von Strom-Lobby und Einzelinteressen folgend, zu spät und viel zu langatmig… so sei die bayerische amtliche Gewässerschutzpolitik.

Kritisiert wurde auch, dass die vielgepriesene „Partizipation der Bürger“ keine solche sei. Sie ist immerhin eine partielle Information. So will das Wasserwirtschaftsamt München im Bereich der Mittleren Isar „Wasserwächter“ aufstellen; keine menschlichen Aufpasser, sondern gestaltete Infotafeln bezüglich Gewässer- und Naturschutz. Allerdings ist das noch nicht Partizipation sondern erst Information. Hier versprach die Behördenleiterin, bis an die Grenze des rechtlichen Zulässigen die interessierten Bürger (und nicht nur die anliegenden Grundstückseigentümer mit Ihren Partikularinteressen) einzubeziehen. Wenigstens ein Lichtblick.